
HEIMKINO-HIGHLIGHTS
Die besten Heimkinoveröffentlichungen des MonatsGanz schön gemein, was uns die Verleiher im Frühsommer in die DVD- und Blu-Ray-Player legen. Wie soll man bei so viel Star- und Frauenpower seinen Weg ins Freibad finden? Nicht nur Timothée Chalamet lockt mit seiner Bob-Dylan-Verkörperung (an der Seite einer nicht minder aufregenden Elle Fanning), in „Wunderschöner“ lässt Karoline Herfurth gleich halb Schauspiel-Deutschland für ihren „Mädelsfilm“ zusammenkommen. Und zwei absolute Diven dürfen in „Maria“ bzw. „The Last Showgirl“ noch einmal zeigen, dass sehr viel mehr in ihnen steckt als nur die ewige Hollywood-Schönheit. Nicht einmal Action (Donnie Yen!) und Horror (Stephen King!!) kommen bei uns zu kurz. Weshalb wir uns dann doch einfach geschlagen geben. Schwimmen gehen können wir auch noch im Juli … Viel Spaß mit unserer Auswahl!
Estonia
Die Wahrheit liegt nicht nur unter dem Meer
Katastrophe in Nahaufnahme: das Schiffsunglück der Estonia im Seriengewand.
Zum 30. Mal hat sich die größte Schiffskatastrophe der europäischen Geschichte 2024 gejährt. Grund genug für „Chernobyl“-Regisseur Måns Månsson, mit einem aufwendig realisierten skandinavischen Serienprojekt Aufarbeitungsarbeit zu betreiben. In rund fünfeinhalb Stunden erzählt er von der verheerenden Havarie der MS Estonia, die binnen 30 Minuten vor der finnischen Küste gesunken und dabei mehr als 800 Menschen mit in den Tod gerissen hat. Und davon, wie Ermittler versuchen, Gründe und Verantwortliche für das Unglück ausfindig zu machen. Was durch verschiedene Agenden, politische Interessen und Vertuschung alles andere als einfach ist. Bis heute konnte das Unglück nicht abschließend geklärt werden. Einige der Antworten, die die Serie findet, geben immerhin zu denken. Und sorgen zusammen mit den erschreckenden Bildern des Unglücks selbst für aufwühlende Serienunterhaltung.
Creation of the Gods II
Demon Force
Die Götter müssen verrückt sein – auf jeden Fall aber Martial-Arts-Fans.
Für Fantasyfilme aus asiatischer Schmiede gilt ja oft Folgendes: Sie sehen denkbar spektakulär aus, aber als westlicher Zuschauer gibt man sich meist besser keine Mühe zu verstehen, wer hier gegen wen warum mit welchen Armeen zu Felde zieht. Das gilt auch für diese Adaption einer epischen chinesischen Fantasyerzählung aus dem 16. Jahrhundert. Diese ist vor mehr als 3.000 Jahren angesiedelt und konfrontiert uns in Teil zwei mit – richtig! – epischen Schlachten, etlichen schwierigen Namen und unfassbar eindrucksvollen Massenszenen. Hier ziehen die Streitkräfte der Shang-Dynastie gegen Xiqi in die Schlacht, die unter anderem von den Kunlun-Unsterblichen Unterstützung erfahren. Wie immer steht so ziemlich alles auf dem Spiel, was in der chinesischen Heimat des Films natürlich Blockbuster-Folgen nach sich gezogen hat.
The Monkey
Allerletzte Destination
Klappe zu, Affe tot? Hier ist es umgekehrt.
Insbesondere in seinen Kurzgeschichten ist Horrorgroßmeister Stephen King öfter mal auch zum Lachen zumute. Zumindest geht es hier häufig sehr viel schwarzhumoriger und gemeiner zur Sache als in seinen oft dramatisch langen Wälzern rund um gut, böse und noch sehr viel böser. „The Monkey“ ist das perfekte Beispiel für den bitterbösen King-Snack zwischendurch. Und taugt ebenso als Film zum blutüberströmten Partyspaß, der auch die ein oder andere tiefgründigere Überlegung zu Leben und Tod zulässt. Verantwortlich dafür ist „Longlegs“-Regisseur Osgood Perkins, der hier Theo James in Doppelrolle mit einem diabolischen Spielzeugaffen hadern lässt. Der ist ein Mittelding zwischen Gremlin-Spielzeug und Sensenmann, der in bester „Final Destination“-Manier die abstrusesten Todesarten herbeiführt. Was zumindest einer von zwei Brüdern zu verhindern sucht. In spaßigen Nebenrollen: Tatiana Maslany, Elijah Wood und „Severance“-Star Adam Scott.
Like a Complete Unknown
Bob Dylan, revisited
Das Rampenlicht ruft nach Bob Dylan aka Timothée Chalamet.
Spätestens nach diesem Film wäre Bob Dylan kein Unbekannter mehr – wenn er sich nicht ohnehin seit den 1960ern als Weltstar des Singer-Songwritertums etabliert hätte. „Like a Complete Unknown“ widmet sich den frühen Jahren seiner Karriere und stellt einen entsprechend jungen Dylan in den Mittelpunkt – perfekt verkörpert von Timothée Chalamet, der ja auch längst kein Unbekannter mehr ist. Chalamet glänzt nicht nur als dem Großmeister erstaunlich ähnlichen Working-Class-Jungspund, sondern auch als veritabler Sänger, der die hier zur Geltung kommenden Dylan-Klassiker selbst eingespielt bzw. gesungen hat. An seiner Seite nicht nur die wunderbare Elle Fanning, sondern unter anderem Edward Norton, Scoot McNairy und Boyd Holbrook in den Rollen berühmter Kollegen wie Pete Seeger, Woody Guthrie und Johnny Cash.
The Prosecutor
Der starke Arm des Gesetzes
Donnie Yen nimmt das Gesetz in seine scharfkantigen Hände.
Dass Justitia Arme hat, die durchaus auch mal zuschlagen können, macht „Ip Man“-Ikone Donnie Yen deutlich, der für „The Prosecutor“ nicht nur die Funktion der Regie, sondern auch die Rolle des frischgebackenen Staatsanwalts Fok Chi-ho übernommen hat. Der bekommt es gleich zu Beginn mit einem Kleinkriminellen zu tun, der sich auf Anraten seiner Anwälte für Drogenbesitz schuldig erklärt und statt einer kurzen Zeit für satte 27 Jahre hinter Gitter wandern soll. Fok wittert schnell Korruption und kriminelle Seilschaften – nicht zuletzt, weil er als ehemaliger Cop Erfahrung hat mit dem organisierten Verbrechen. Dass das im Falle von Donnie Yen nicht in Schreibtischarbeit mündet, sondern handfeste actionreiche Folgen hat, versteht sich von selbst. Dass Fans von Martial Arts deshalb voll auf ihre Kosten kommen, ebenso.
Beating Hearts
Will Love turn them apart?
Als wäre es ihr letzter Kuss: ewige Liebe oder Amour fou?
Kennen Sie noch David Lynchs Amour-fou-Spektakel „Wild at Heart“ mit Nicolas Cage und Laura Dern? Schöner, spektakulärer und krimineller wurde lange nicht mehr geliebt. Bis eben der französische Schauspieler und Regisseur Gilles Lellouche auf den Plan trat und mit „Beating Hearts“ (frz.: „L’Amour ouf“) ein fast dreistündiges und sehr wildes Liebesfilm-Brett hingelegt hat. Das begeisterte in Frankreich ein Millionenpublikum und featurt neben tollen Darstellern und teils brachialen Gewaltausbrüchen auch noch einen ziemlich sensationellen 80er-Jahre-Soundtrack sowie fantastisch eingefangene Bilder. Mallory Wanecque und Malik Frikah bzw. Adèle Exarchopoulos und François Civil verkörpern die jungen bzw. älteren Jackie und Clotaire, die sich über Klassengrenzen hinweg unsterblich ineinander verlieben, deren Liebe aber zunächst an der kriminellen Karriere von Clotaire zerbricht. Nachdem die beiden jahrelang voneinander getrennt waren, führt sie das Schicksal als Erwachsene wieder zusammen. Mit dramatischen Konsequenzen …
Wunderschöner
Lachen, leben, lieben, die Zweite
Was ist noch schöner als „Wunderschön“? „Wunderschöner“!
Schön. Mit „Wunderschön“ und „Wunderschöner“ ist aus Karoline Herfurth ein ähnlicher Romantic-Movie-Hit-Garant geworden wie seinerzeit aus Til Schweiger mit seinen ohrenlosen Hasen und Küken bzw. aus Simon Verhoeven mit seinen „Männerherzen“. Und an Letztere darf man am ehesten denken beim Herfurth’schen Beziehungsreigen, der auch in Runde zwei nichts von seiner genuin femininen Draufsicht und seiner Furchtlosigkeit im Umgang mit geschlechtsspezifischen Reizthemen verloren hat. Im Gegenteil: Karoline Herfurth und ihre blendend aufgelegten Darstellerinnen wissen, wovon sie sprechen und spielen. Und lassen ihre Figuren so zu Identifikationsfiguren werden, mit denen frau wirklich mitleiden und mitlachen kann. Und seien wir ehrlich: Schaden tut der Blick auf die Fortsetzung des episodischen Beziehungsreigens auch Männern nicht …
Maria
Die Göttliche
Karriereherbst – die Göttliche spielt die Göttliche: Angelina ist Maria.
Wer befürchtet hat, dass das ja nie und nimmer funktionieren könne – die Schauspieldiva Angelina Jolie in der Rolle einer gealterten Operndiva –, der sieht sich durch Pablo Larraíns schwelgerisch schönes und morbides Callas-Biopic aufs Wunderbarste getäuscht. „Maria“ widmet sich den letzten Tagen im Leben von Maria Callas, die hier nur mit zwei Dienstboten zurückgezogen in Paris lebt und ihr Mojo, ihren einzigartigen Ausdruck im Gesang, verloren hat. Von hier aus wagt sie einige gesangliche Comeback-Versuche im stillen Kämmerlein und denkt zurück an ihre großen Zeiten, an ihr Geplänkel mit Onassis genauso wie an die Kindheitsjahre unter faschistischer Besetzung. Und immer wieder verschwimmen Wunsch und Realität, driftet Larraíns Film mit seiner Heldin ins Träumerische ab. Zusammen mit einer Jolie, die nicht davor zurückschreckt, auch die zerbrechliche Seite ihrer Figur nach außen zu kehren.
The Woman in the Yard
Grusel im Garten
Dann doch lieber Zwerge: Die unheimliche Frau im Garten hat dunkle Geheimnisse.
Blumhouse-Horror, das ist mittlerweile ein echtes Markenzeichen. Und Jaume Collet-Serra hat sich – neben seiner Erfahrung als Actionregisseur für Liam Neeson – unter anderem mit „House of Wax“ oder „Orphan – Das Waisenkind“ bereits einige Sporen verdienen dürfen auf diesem Feld. „The Woman in the Yard“ gehört insgesamt zu den subtileren Blumhouse-Würfen. Im Mittelpunkt steht die nach einem Unfall gelähmte Ramona, die verzweifelt versucht, den Verlust ihres Mannes und Vaters ihrer beiden Kinder zu kompensieren. Ihre zunehmende Distanz zu den beiden hat ihren Grund darin, dass Ramona den Unfall verursachte, der ihn das Leben und sie die Bewegungsfreiheit kostete. Mit dem Erscheinen einer unheimlichen Frau im Garten hält zusätzlich der Schrecken Einzug in den Familienalltag. Die schwarz gekleidete Unbekannte droht ihren Kindern und treibt so einen vermeintlich übersinnlichen Keil zwischen Mutter und Nachwuchs.
The Last Showgirl
Pams Reifeprüfung
Der Vorhang fällt für Ex-Baywatch-Nixe Pam Anderson.
„Baywatch“? Von wegen! Nicht wenige halten „The Last Showgirl“ für die Rolle, die Pamela Anderson von nun an definieren werde. Eine regelrechte Wiedergeburt der bald 58-Jährigen als ernst zu nehmende Charakterdarstellerin, deren Part allerdings auch viel mit ihren eigenen Erfahrungen zu tun haben dürfte. Denn wie Anderson selbst droht auch ihrer Figur Shelly das Abstellgleis nach einer Karriere, die durch viel Schein und Körperlichkeit geprägt war. Ihrer seit mehr als 30 Jahren laufenden Las-Vegas-Show droht nämlich das Aus. Was jüngere Tänzerinnen leichter wegstecken als die fast 60-Jährige. In der Auseinandersetzung mit ihrer Tochter arbeitet sie ihre Vergangenheit auf, gibt sich verletzlich und stark zugleich und darf so beweisen, dass es auch weniger voyeuristisch geht als seinerzeit mit Verhoevens „Showgirls“. Ein kleines Meisterwerk.
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